Die Hölle - ein Erweis der Liebe Gottes
(Hell: A Token of God's Love)
Ernst Ferdinand Ströter
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die schwersten und vornehmlichsten Bedenken gegen die Lehre von der endlichen Errettung aller Menschen hervorgerufen und getragen sind von dem Gefühl oder Eindruck, als bedeute eine solche Lehre die Abschwächung oder gänzliche Beseitigung all der biblischen Aussagen von dem furchtbaren Ernst, dem heiligen Zorne Gottes wider alles Böse. Wieder und wieder werden die deutlichen Worte des Herrn Jesu und Seiner Apostel von dem unauslöschlichen Feuer; von dem Gericht mit Feuerflammen, Rache zu geben über die Übeltäter, die Gott nicht anerkennen und die nicht gehorsam sind dem Evangelium unsres Herrn Jesu Christi; von dem Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln; von dem Feuersee, der mit Schwefel brennt in welchem das Tier und der falsche Prophet ihr Gericht finden, und in welchen zuletzt auch Satan geworfen wird, betont und in einer Weise hervorgehoben, die die Besorgnis verrät, wir ließen solche Aussagen ganz und gar unbeachtet oder wollten sie aus der Schrift hinwegerklären.
Bis zu einem gewissen Grade ist eine solche Vorstellung verständlich. Dennoch zeugt sie nicht von reiflicher, prüfender Überlegung und Erwägung alles dessen, was bisher über diesen Gegenstand geschrieben worden ist.
Es gibt ja einen seichten, oberflächlichen Universalismus, dem der „liebe Gott“ ein viel zu gutmütiger, weichherziger alter Herr ist, der es nicht übers Herz bringen kann, irgendeins Seiner Geschöpfe in die Hölle zu werfen und zu quälen mit Feuer und Schwefel, wie geschrieben steht. Dahinter steckt unverkennbar eine sehr seichte und flache Auffassung von der Sündhaftigkeit der Sünde und von der unerbittlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes. Von da aus ist es wohl zu verstehen, wenn ernste Christen und treue Wächter der Herde ein sehr bedenkliches Gesicht machen zu einer Lehre, die scheinbar über den furchtbaren Ernst all jener Gottesworte hinwegtäuscht und ihnen ihr Gewicht nimmt.
Aber in der Tat liegt die Sache ganz anders. Und es ist nicht ganz zu begreifen, wie man so schnell ein herbes Urteil der Verwerfung fällen und durchführen kann, ohne daß man zuvor sorgfältig geprüft und gefragt hätte, wie selbst ein Hoherpriester noch den Stephanus fragte: Ist dem also? Es hat etwas Eigenartiges und Schmerzliches an sich, wenn jemand, der Jahrzehntelang in Wort und Schrift für die Unverletzlichkeit und Unantastbarkeit der ganzen Schriftoffenbarung eingetreten ist, nun erst nachweisen soll, daß er wirklich an die Hölle der Schrift glaubt! Und der Schreiber dieser Zeilen darf es frei bezeugen, daß er nie zuvor in seinem Leben über diesen erschütternd ernsten Gegenstand mit größerer Deutlichkeit, Klarheit und Nachdruck zu reden vermocht hat, als seit ihm die Erkenntnis geworden über den Rat Gottes zur endlichen Errettung aller Menschen, und zwar durch - das höllische Feuer, durch Tod, Verderben und Verdammnis hindurch!
Früher konnte er nie ganz ohne Beklemmung des Herzens an die Hölle denken und sie bezeugen. Heute kann er ohne irgend welchen Hintergedanken für dieselbe aus tiefster Seele danken und Gott anbetend preisen. Sein Glaube an Hölle und Gericht ist nicht schwächer und matter, sondern intensiver, klarer, fester geworden als je. Das kam ihm in seinen Begegnungen mit Abgrundsmächten überwältigend zum Bewußtsein.
Auch ist die Lösung dieser manchem vielleicht befremdlich vorkommenden Erscheinung nicht weit zu suchen, noch schwierig zu verstehen für den, der die ganze Schrift glaubt, einfältig glaubt, ohne Abstrich glaubt, und dann die unbeugsamen Konsequenzen seines Bibelglaubens zieht, einerlei, was dabei aus vorgefaßten Meinungen und hergebrachten Lehrsätzen wird.
Die Lösung liegt auf einer Linie, die mir in den letzten Tagen sehr deutlich vor das Gemüt trat aus Anlaß eines Referats über den „Zorn Gottes", auf das ich aufmerksam gemacht wurde. In diesem Referat wurde der Satz ausgesprochen und vertreten:
„Es gibt ein Gebiet, wo nach dem vielfachen und klaren Zeugnis der Schrift die Liebe Gottes nicht mehr wirken kann."
Sosehr ich über diesen Satz erschrak, so deutlich stand es vor mir: Da liegt die ganze Unstimmigkeit und Unhaltbarkeit der Position der aufrichtigen und überzeugten Gegner der Lehre von dem endlichen völligen, restlosen Triumph der allmächtigen Retterliebe Gottes über allen bewußten Widerstand und alle Feindschaft, im ganzen weiten All.
Was jener Satz bestimmt und präzis ausdrückt, das deckt sich wohl mit dem Urteil fast aller Verteidiger einer endlosen Höllenstrafe, die angeblich nie ein Resultat haben kann, das dem eigentlichen erklärten Liebeswillen Gottes entspricht. Die Gottlosen seien unrettbar, hoffnungslos, endlos unselig, verloren, verflucht - einfach, weil jenseits aller Möglichkeit, von der rettenden Liebe noch erreicht zu werden. Und diese Unerreichbarkeit sei selbstverschuldet, sei das Ergebnis beharrlichen, bewußten Widerstandes, frecher Auflehnung gegen Gott und Seinen Christus. So wird wohl allgemein geglaubt und gelehrt.
Was kommt denn aber in dieser Auffassung zum Ausdruck? Ein Doppeltes.
Wenn gelehrt wird, daß die Liebe Gottes sich auf irgend einem Gebiet nicht mehr wirksam erweisen kann, dann bringt man, ob bewußt oder unbewußt, einen Dualismus, eine innere Gegensätzlichkeit und Trennung in das Wesen Gottes hinein. Denn nach der Schrift ist die Liebe nicht eine der vielen Eigenschaften Gottes, sondern sie ist Sein Wesen. Gott ist die Liebe (1. Joh. 4, 8.16). Hört Gott auf Liebe zu sein, dann hört Er überhaupt auf zu sein. Gibt es also ein Gebiet - in diesem Fall ist offenbar die Hölle, der Ort der Qual, der Kerker der Verdammten gemeint -, wo die Liebe Gottes sich nicht erweisen kann, dann kann Gott Sich da überhaupt nicht erweisen; denn die Liebe ist ganz unzertrennlich von Seinem Wesen. Der Satz zerstört also, wenn zu Ende gedacht, das einheitliche Wesen Gottes, und bringt ohne es zu wollen, die Heiligkeit und strafende Gerechtigkeit Gottes in einen unlöslichen Gegensatz zu Seiner rettenden Liebe. Diese muß vor den unabweislichen Forderungen Seiner Heiligkeit zurückweichen und das Feld räumen.
Allerdings hat sich im Eingang jenes Referats der Verfasser ausdrücklich gegen eine Auffassung vom Zorne Gottes verwahrt, die denselben lostrennt von Seiner Liebe. Aber in jenem von uns wiedergegebenen Satz kommt offenkundig diese Verwahrung nicht zur Geltung. Er hebt sie auf.
Will man aber an der unzertrennlichen Einheitlichkeit des göttlichen Wesens festhalten, so denke man jenen Satz auch bis in seine Konsequenzen zu Ende: Dann kann Gott auf jenem Gebiet, wo angeblich Seine Liebe nicht mehr wirken kann, auch Seinen heiligen und gerechten Zorn nicht mehr erweisen, weil derselbe nie zu trennen oder in Gegensatz zu bringen ist zu Seiner Liebe. Damit wäre dann eine Hölle auch als Erweis der strafenden Gerechtigkeit Gottes ganz unmöglich, weil diese nie zu trennen ist von Seinem Wesen, der Liebe. Somit bedeutet, genau besehen, die herrschende Vorstellung, wie sie in jenem Satz ihren Ausdruck findet, eine allerdings unbewußte und nicht gewollte, aber durchaus logische Leugnung der Hölle und Verdammnis. Und die wirklichen Leugner der Hölle wären im anderen Lager.
Warum nun aber nicht konsequent den Gedanken zu Ende denken, daß Gott in Seinem Wesen Liebe ist, mit welcher irgend eine Seiner übrigen Eigenschaften wie Heiligkeit, Allmacht, Weisheit Gerechtigkeit, Lauterkeit und Wahrheit niemals in irgend einem Gegensatz oder Widerstreit sein können? Warum nicht folgerichtig daran festhalten mit aller Einfalt und Zuversicht, daß es eine Hölle gibt und geben muß, nicht obwohl und trotzdem Gott die Liebe ist, sondern gerade weil Er die Liebe ist? So verstanden ist die Hölle ein deutlicher und unbeschreiblich köstlicher Erweis Seiner heiligen Liebe, die Sünde, Unreinigkeit und Selbstsucht in Seinen Geschöpfen unter keinen Umständen dulden kann, sondern die alles ungöttliche und verkehrte Wesen schonungslos ausbrennt, wenn nötig im untersten Grunde der Hölle, bis jeder Widerstand, jede Härte, jedes ungebeugte, ungebrochene, trotzige, starre, rebellische Wesen bis aufs Äußerste zermürbt, zunichte gemacht und ausgetilgt ist und das von Ihm erschaffene Urwesen in seiner einfachsten Form, als „Staub und Asche", wieder in Seine schöpferische Hand kommt und Er dann alles neu machen kann.
Ist es denn eine andere Sonne, oder sind es andre Strahlen derselben Sonne, die den zähen Lehm steinhart machen, aber das Wachs zerschmelzen? Und wenn die Feuergluten, aus dieser einen Sonne geboren, diesen starren Lehm ergreifen, sind sie es nicht, die ihn dann zermürben und aus ihm gefügigen Staub machen, der in des Bildners Hand neu gestaltet werden kann? Sagen uns diese Vorgänge in der Schöpfung nichts? Haben wir kein Ohr für das lodernde, zum Himmel jauchzende Feuer? Warum braust und jubiliert das nur so? Ei nun, weil die gebundene Kreatur, die Balken und Sparren, an denen wir uns versucht haben, durch Feuer wieder aus unsern und in die Hände des Schöpfers kommt. zu neuer Verwendung in Seinem großen Laboratorium!
Gewißlich tut Feuer weh. Gewißlich bedeutet es Zerstörung, Verderben, Untergang, Auflösung des organischen Verbandes und Zusammenhangs. Aber jenseits des Brennens, jenseits der völligen Vertilgung, der scheinbar hoffnungslosen Auflösung liegen unbegrenzte Möglichkeiten, wieder etwas zu werden, ursprüngliche Gottesgedanken dennoch darzustellen, nachdem Tod und Hölle ihr herrlich Werk getan und der heiligen Liebe Gottes gedient haben.
Ist denn die Erlösung überhaupt anders zustande gekommen als dadurch, daß die Zornesgluten des heiligen Gottes über dem Haupte des Unschuldigen und Reinen zusammenschlugen, den Gott für uns zur Sünde machte? Ist es nicht der Herr, der mit Geist und Feuer tauft? Steht denn nicht geschrieben, daß ein jeglicher mit Feuer gesalzen werden muß? (Mark. 9, 49) Ist nicht auch unser (der Gläubigen) Gott ein verzehrendes Feuer? (Hebr. 12, 29) Führt denn für uns ein anderer Weg zur Herrlichkeit, als durch schmelzendes, verzehrendes Gericht? Und bezeugt nicht die Schrift, daß die Erneuerung von Himmel und Erde nur durch Feuergericht geschehen wird? Das Zeugnis der Schrift auf der ganzen Linie ist übereinstimmend.
So führt denn nach der Schrift der Weg zur Wiederherstellung aller im Himmel und auf Erden nicht um die Hölle herum, sondern mitten durch sie hindurch. Und die unbeugsame Konsequenz der biblischen Lehre von der aus Gottes heiliger Liebe geborenen Hölle lautet nicht anders als: endliche Errettung und Wiederherstellung aller!
Von einer endlosen, zweck- und ziellosen Hölle, in der die Liebe Gottes nichts mehr wirken könne, ist dann keine Rede mehr.
(Quelle: "Das prophetische Wort" - vergriffene Schriftenreihe von Prof. Ströter und Heinrich Schaedel)